Beziehung auf Augenhöhe führen: das sind die Geheimnisse

Augenhöhe in einer Beziehung wünscht sich jeder von uns. Doch hast du dir schon einmal die Frage gestellt, was du unter Augenhöhe verstehst? Was gehört für dich zu einer solchen Beziehung dazu? Aus meiner Sicht ist einer der wichtigsten Punkte in einer Beziehung, der für Augenhöhe sorgt, das Wörtchen „und“. Das hört sich erst einmal recht banal und auch seltsam an. Warum sollte das eine Wort „und“ für Augenhöhe sorgen? Ich werde es dir erklären.


Kurz zusammengefasst: Wie funktioniert Augenhöhe in einer Partnerschaft?

  • Augenhöhe Definition: Augenhöhe in einer Beziehung bedeutet, dass sich Partner und Partnerinnen gegenseitig respektieren und die Bedürfnisse, Gefühle, Meinungen und Standpunkte beider als gleichwertig ansehen
  • Wichtigkeit des Wortes „und“: Das Ersetzen von „aber“ durch „und“ in Diskussionen fördert Respekt und Gleichberechtigung, indem beide Standpunkte als gültig anerkannt werden
  • Dynamik vermeiden: Ohne Übernahme der Eigenverantwortung entsteht oft eine Eltern-Kind-Dynamik in Beziehungen, was zu Unzufriedenheit und Machtlosigkeit führen kann
  • Konflikte und Kommunikation: In Konflikten sollte der Fokus darauf liegen, Bedürfnisse und Gefühle zu kommunizieren, anstatt zu bestimmen, wer recht hat.
  • Unterschied zwischen Erwartung und Wunsch: Ein Wunsch lässt deinem Gegenüber die Freiheit, zu wählen, während eine Erwartung eine Forderung darstellt, die Abhängigkeiten schafft
  • Vorwürfe umwandeln: Vorwürfe sollten in Ich-Botschaften umgewandelt werden, um Eigenverantwortung zu zeigen und deinem Gegenüber nicht zu belasten

Warum sollte für eine Beziehung auf Augenhöhe das Wort „aber“ durch „und“ ersetzt werden?

Eine Beziehung auf Augenhöhe bedeutet, sich gegenseitig zu respektieren. Wie oft sagst du in einem Gespräch das Wort „aber“? Wie oft sagst du „aber“ in einem Konflikt? Wahrscheinlich ständig — das ist menschlich und das haben wir so gelernt. Um meinen eigenen Standpunkt klar und deutlich zu machen, verwende ich das Wort „aber“ und auch um die Argumentation meiner Partner/in zu entkräften. Damit gebe ich meinem Gegenüber zu verstehen, dass ich eine andere Meinung habe und seinen Standpunkt als „falsch“ empfinde. Aber was löst das denn in ihm oder ihr aus, wenn ich sage, dass mein Standpunkt der Richtige ist und ich seinen Standpunkt als „falsch“ bewerte? Genau, ich stelle meine Sichtweise über die meines Gegenübers. Und schon haben wir keine Augenhöhe mehr.

Inspirierendes Zitat über Gleichberechtigung in Beziehungen.

Aus meiner Sicht bedeutet Augenhöhe, dass sich zwei Partner oder Partnerinnen gleichberechtigt begegnen und die Bedürfnisse, Gefühle, Empfindungen, Meinungen, Standpunkte etc. beider Parteien gleich viel „wert“ sind. Meine Bedürfnisse stehen nicht über den Bedürfnissen meines Partners oder meiner Partnerin. Sie sind nicht „richtiger“. Ich muss meinen Partner nicht von meinem Standpunkt überzeugen, sondern ich kann ihn in seinem Standpunkt stehen lassen und meinen gleichberechtigt danebenstellen.

Dies kannst du unter anderem dadurch unterstützen, dass du das Wort „aber“ einfach durch das Wort „und“ ersetzt.

 

Die Bedeutung meiner eigenen Bedürfnisse in einer Paarbeziehung?

Was brauchst du eigentlich, damit du dich wohlfühlst? Welche Bedürfnisse spürst du zu welchem Zeitpunkt? Diese Fragen sind gar nicht so einfach zu beantworten. Und was hat das mit Augenhöhe zu tun?

Die meisten Diskussionen und Streitereien in Beziehungen laufen so ab, dass der oder die eine dem anderen vorwirft, dass dessen Verhalten verletzend oder unpassend war.

Ein Beispiel: Person A sagt zu Person B: „Nie nimmst du mich in den Arm!“. Da sich Person B sehr wahrscheinlich angegriffen fühlt, geht er in die Verteidigung und sagt: „Stimmt doch gar nicht!“. Und schon befinden wir uns in einer Situation, in der es eigentlich nur noch darum geht, wer jetzt recht hat.

Situationen, in denen es nur noch darum geht, wer richtig bzw. falsch liegt oder gar, wer schuldig bzw. wer unschuldig ist, führen dazu, dass keine Augenhöhe erreicht werden kann. Zur Erinnerung: auf Augenhöhe kommunizieren bedeutet, dass meine Sichtweise, mein Denken, meine Gefühle und meine Bedürfnisse genauso „richtig“ und „wichtig“ sind, wie die meines Gegenübers. Dabei geht es darum, dass sich mein Gesprächspartner oder meine Gesprächspartnerin nicht unterlegen fühlt. Egal, ob das mein Partner, mein Kind, mein Chef, meine Freundin etc. ist.

 

 

Warum laufen die meisten Diskussionen nach dem Prinzip „recht haben“ ab?

Schauen wir uns den Ausgang der Situation genauer an. Person A sagt „Nie nimmst du mich in den Arm!“. Wenn ich das jetzt einmal für Person A übersetze, könnte dabei zum Beispiel herauskommen: „Ich habe das Bedürfnis nach mehr Nähe“ oder „Mir geht es heute nicht so gut. Könntest du mich bitte in den Arm nehmen“. Leider lernen nur sehr wenige Menschen, diese Art der Kommunikation. Die gute Nachricht – jeder kann das lernen. Aber wie?

  • Indem jeder von uns lernt, welche Bedürfnisse und welche Wünsche eigentlich hinter dem Vorwurf an das Gegenüber stecken.
  • Indem du lernst, dich und deine Bedürfnisse zu entdecken und kennenzulernen.
  • Indem du Verantwortung für die Erfüllung deiner Bedürfnisse übernimmst.
Inspirierendes Zitat über Empathie auf ästhetischem Hintergrund.

Die Verantwortung für meine Bedürfnisse übernehmen

 

Warum ist es für deine Begegnung auf Augenhöhe essenziell, dass du die Verantwortung für deine Bedürfnisse und Glaubenssätze übernimmst? Welche Herausforderungen warten vielleicht dabei auf dich?

Im Laufe deines Lebens verlagert sich die Erfüllung deiner Bedürfnisse im Idealfall immer mehr vom Außen (Mutter, Vater) zu dir als erwachsene Person. Als Baby und Kleinkind sind deine Eltern dafür verantwortlich, deine Bedürfnisse zu spüren und zu erfüllen. Je älter du wirst, desto mehr solltest du die Verantwortung für die Erfüllung deiner Bedürfnisse selbst übernehmen.

 

Was passiert in Beziehungen, wenn die Übernahme der Eigenverantwortung nicht geschieht?

Dann übergibt der Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin dem anderen die Verantwortung für die Erfüllung der Bedürfnisse. Hier entsteht automatisch eine Dynamik, wie wir sie aus unserer Kindheit kennen. Das Kind ist bisher nicht in der Lage, die Verantwortung für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse zu übernehmen und braucht deswegen den Vater/die Mutter, welche die Verantwortung übernehmen.

Problematisch wird das Ganze in einer Paar-Beziehung, weil wir hier von einem zwei erwachsenen Menschen sprechen. Wir haben keine Eltern-Kind-Beziehung, sondern eine Liebesbeziehung zweier Menschen. Eine Eltern-Kind-Beziehung in einer Partnerschaft ist leider sehr weit entfernt von einer erwachsenen Beziehung auf Augenhöhe. Folgen einer solchen Dynamik sind häufig fehlender Sex, Unzufriedenheit, Hilflosigkeit, Machtlosigkeit, das Gefühl, sich im Kreis zu drehen.

Mehr über die verschiedenen Ich-Zustände erfährst du übrigens im Blog-Artikel „Sexualität in der Beziehung“.

 

Was können Paare, die sich in einer solchen Dynamik befinden, nun machen?

Angebracht ist, dass keiner „Schuld“ an dieser Dynamik hat. Diese Triebkraft ist in sehr vielen Beziehungen zu beobachten und geschieht unbewusst. Es gehören immer zwei Personen dazu. Sich gemeinsam aus einer solchen Dynamik zu befreien, ist Arbeit und Übung.

Inspirationszitat zur persönlichen Verantwortung

Folgende Überlegungen können dir im Alltag helfen, dich aus einer solchen Dynamik in deiner Beziehung zu befreien:

  • Welches Gefühl / Bedürfnis spüre ich gerade?
  • Warum habe ich dieses Gefühl / Bedürfnis in diesem Moment eigentlich?
  • Was kann ich tun/verändern, damit es mir besser geht?
  • Wenn ich etwas von meinem Partner oder meiner Partnerin brauche, formuliere ich keine Erwartung, sondern einen Wunsch.

Partnerschaft auf Augenhöhe führen – der Unterschied zwischen einer Erwartung und einem Wunsch

 

Der größte Unterschied zwischen einer Erwartung und einem Wunsch ist der, dass du bei einem Wunsch deinem Gegenüber ermöglichst, jederzeit „nein“ zu sagen, ohne dass dieses „nein“ negative Auswirkungen auf eure Beziehung hat.

Eine Erwartung entwickelt sich aus einem nicht erfüllten Bedürfnis, einem Mangelgefühl, heraus. Hier brauchst du etwas von deinem Gegenüber, damit dein Mangelgefühl weniger wird. Ein Wunsch dagegen ist eine Art „Bereicherung“, eine Steigerung, für ein besseres Wohlbefinden.

 

Das ist der Unterschied zwischen einer Erwartung und einem Wunsch

Eine Erwartung wird häufig als (Auf-)Forderung kommuniziert („Ich will, dass du…“). Du brauchst etwas von deinem Partner oder Partnerin und forderst es unbewusst ein. Dies wird unter anderem durch deine Wortwahl und die Art und Weise, wie du dein Bedürfnis äußerst, deutlich. Du forderst von deinem Gegenüber, dass er oder sie für ein Bedürfnis sorgt, da du das in diesem Moment vielleicht (noch) nicht selbst kannst. Du verlagerst die Verantwortung für dich und deine Bedürfnisse nach Außen und begibst dich dadurch auch in eine Abhängigkeit von deinem Gegenüber.

Wenn dein Partner oder deine Partnerin nun unter anderem deiner (Auf-)Forderung nicht nachkommt, fühlst du dich vielleicht verlassen, im Stich gelassen oder nicht geliebt. Meist folgt anschließend auch ein Vorwurf, wie „Nie bist du für mich da! Du liebst mich nicht!“. Damit möchtest du unterbewusst erreichen, dass sich dein Partner oder deine Partnerin sich am Ende doch noch dir zuwendet. Du versuchst, deinem Gegenüber unbewusst zu manipulieren.

Wichtig für dich zu wissen ist: in jedem Vorwurf und jeder Du-Botschaft, die du an dein Gegenüber richtest, versteckt sich immer ein eigener Wunsch bzw. eine Ich-Botschaft. Wenn du also zum Beispiel sagst: „Nie bist du für mich da!“, könntest du auch sagen: „Ich wünsche mir in diesem Moment mehr Nähe zu dir.“, oder „Ich habe den Wunsch, dass du mich fest in den Arm nimmst!“. Dann würdest du in die Eigenverantwortung gehen und dadurch deinen Partner oder deine Partnerin und eure Beziehung entlasten. Das kann schon viel zwischen euch verändern.

Inspirierendes Zitat mit Blattmotiven auf rosafarbenem Hintergrund.

Bei der Formulierung eines Wunsches ermöglichst du deinem Gegenüber zu jeder Zeit, den eigenen Bedürfnissen nachzukommen, in sich selbst hineinzuhören und ggf. deinem Wunsch nicht nachzukommen. Und das wäre dann in diesem Moment auch in Ordnung für dich. Du stellst dein Bedürfnis nicht über das deines Partners oder deiner Partnerin und interpretierst dessen Entscheidung nicht als persönliche Zurückweisung.

Nun zur praktischen Umsetzung: Du könntest bei der Formulierung eines Wunsches zum Beispiel mit „Ich habe einen Wunsch…“ oder „Ich wünsche mir…“ beginnen. Es kann sein, dass du deinem Partner oder deiner Partnerin zu Beginn auch immer wieder sagen, dass es in Ordnung ist, wenn er „nein“ sagt. Neue Wege der Kommunikation benötigen immer Übung. Und so kann auch die Wunschformulierung gut von Paaren eigenständig geübt werden.

 

Fazit: So führst du eine Beziehung auf Augenhöhe

Für eine Beziehung auf Augenhöhe ist die Wahl der richtigen Worte entscheidend. Das Ersetzen von „aber“ durch „und“ verhilft dir zu einem angenehmeren Gesprächsklima. Durch diesen kleinen sprachlichen Wechsel gelingt es euch, unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse gleichwertig zu behandeln, ohne die des anderen zu untergraben. Versuche deine Bedürfnisse als Wünsche auszudrücken und dem Partner oder der Partnerin die Freiheit zu lassen, darauf einzugehen oder eben nicht. Eine Beziehung auf Augenhöhe erfordert eine bewusste Kommunikation, mit gegenseitiger Anerkennung.

Wenn du und dein Partner oder deine Partnerin jetzt Lust habt, euch gemeinsam auf neue Wege der Sexualität einzulassen und an einer Partnerschaft auf Augenhöhe interessiert seid, könnt ihr liebend gerne einen Termin bei mir vereinbaren. In meiner Praxis ist das Thema Sex fester Bestandteil meiner Arbeit mit Frauen, Männern und Paaren.

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