Beziehung retten – Gemeinsam Intimität und emotionale Nähe wiederherstellen und die Partnerschaft auffrischen

Paare, die bereits einige Jahre oder sogar Jahrzehnte zusammen sind, berichten oft, es sei keine Zeit für Nähe und Intimität. Neben alltäglichen Terminen und Aufgaben fehlen oft die Kapazitäten und auch die Energie für körperliche Nähe. 

Liegt das Thema euch bereits seit einiger Zeit am Herzen, solltet ihr euch behutsam und schrittweise nähern. Wenn du schon lange zusammen seid und noch regelmäßig intim werdet, solltet ihr öfter ein Gespräch führen, ob euch das Körperliche in der Beziehung gefällt. 

5 Tipps, um mehr Nähe aufzubauen

Mögliche Schritte zu mehr Nähe und Verbundenheit:

  1. Sprecht über eure Wünsche in Bezug auf Körperlichkeit, Sexualität und Geschlechtsverkehr.
  2. Legt eure individuellen Freigabe-Zonen fest.
  3. Steigert eure Körperlichkeit (Bsp. legt euch gemeinsam nackt ins Bett).
  4. Schafft gemeinsame positive Erlebnisse und Gefühle.
  5. Sorgt für mehr emotionale Verbindung und Vertrauen.

Beziehung retten: Deine Partnerschaft ist ein dynamischer Prozess – gemeinsame Erlebnisse prägen deine Beziehung

Du solltest dir immer wieder bewusst werden, dass ihr euch in eurer Beziehung und auch in eurer Sexualität weiterentwickelt. Du darfst nicht vergessen, dass ihr die Verliebtheitsphase mit viel Nähe und Intimität erlebt habt, aber dazu über die Jahre viele weitere (Lebens)phasen hinzukamen. Neben Karriereplänen kamen eventuell auch Kinder hinzu. Werde dir bewusst, dass dein Leben und dein Partner oder deine Partnerin sich über die Jahre weiterentwickeln. Das darf auch deine Körperlichkeit und Sexualität. Paare denken oft, dass diese genauso wie am Anfang gelebt werden sollte. 

Ein Beispiel: Du lernst deinen Partner oder deine Partnerin mit Anfang 20 kennen. Dein Körper ist voller Hormone und genauso fühlt sich dein Sexleben an. Über die Jahre kommen weitere Erfahrungen und Verantwortungen hinzu. Oft denken Paare an diesem Punkt, dass die Sexualität und die Intimität noch genauso sein muss wie mit Anfang 20.

Was ist die Konsequenz für viele Paare? Die Sexualität wird als nicht erfüllend wahrgenommen, sie ist nicht mehr so wichtig und bekommt immer weniger Raum in der Beziehung oder fühlt sich eher als „Pflichterfüllung“ an. Um aus dieser Negativspirale wieder herauszukommen, solltest du dir bewusst werden, welche Bereiche es in der Intimität und Sexualität gibt. So kannst du verstehen, welchen Bereich du in einigen Situationen bevorzugst.

Emotionale Nähe stärken – wieder Zeit für einander haben

Wenn wir von Nähe und Intimität sprechen, gibt es drei verschiedene Abstufungen bzw. Bereiche. Diese Bereiche sollten unabhängig voneinander betrachtet werden. Nicht ein Bereich führt automatisch zum zweiten Bereich.

1. Bereich: Körperlichkeit

Körperlichkeit ist ein Grundbedürfnis von uns. Wir benötigen körperliche Nähe und Berührungen für unser Wohlbefinden. Dazu gehören unter anderem eine Umarmung, Händchen halten oder eine kurze Berührung. Das Bedürfnis nach Körperlichkeit können wir auch mit Freunden, Kindern oder auch Haustieren stillen. Hier gibt es keine sexuelle Komponente. 

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Wenn eine Frau ein Baby bekommt, ist dies im ersten Lebensjahr meist körperlich sehr nah an der Mutter. Beide stillen ihr Bedürfnis nach Körperlichkeit. Dementsprechend wird die Körperlichkeit zwischen euch als Paar drastisch zurückgehen. 

Körperlichkeit wird am intensivsten ohne Kleidung wahrgenommen. Wenn wir die Haut eines anderen Menschen ganz nah an uns spüren, lädt sich „unsere Batterie“ am schnellsten auf. 

2. Bereich: Sexualität

Sexualität ist alles zwischen Körperlichkeit und Geschlechtsverkehr. Sexualität leben wir mit einem anderen erwachsenen Menschen, der dem zugestimmt hat. In Beziehungen wird Sexualität in der Regel als Vorspiel gelebt. Das ist mal mehr oder weniger lang. Interessant ist, dass das Bedürfnis nach Sexualität primär bei Frauen bzw. Menschen, die ihre weiblichen Anteile vordergründig leben, stärker ausgeprägt ist als das Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr.

Mehr über die Sexualität in einer Beziehung erfahren.

3. Bereich: Geschlechtsverkehr

Für den Geschlechtsverkehr gibt es genau zwei gesunde Gründe, warum wir ihn haben sollten. Zum einen dient er aus biologischer Sicht zur Fortpflanzung und zum anderen führt zu mehr Verbundenheit. 

Sex, um die Fortpflanzung zu sichern

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Männer können sich rein theoretisch mehrmals am Tag fortpflanzen, die Frau nur an 3–5 Tagen im Monat. Allein hieraus ergeben sich unterschiedliche Bedürfnisse.

Der Wunsch nach tiefer Verbundenheit

In der heutigen Zeit wäre Geschlechtsverkehr ohne emotionalen Grund kaum vorstellbar. Natürlich ist der Spaß bei beiden Punkten im Idealfall auch da. Alle anderen Gründe, Geschlechtsverkehr zu haben, können eine ungesunde Dynamik in der Beziehung fördern oder entstehen lassen. Tatsächlich gibt es aber auch Momente, in denen Sex genutzt wird, um eigene Themen und Probleme zu vergessen.

Für Frauen bedeutet Geschlechtsverkehr die größte körperliche Grenzüberschreitung, die es nur gibt. Die Frau lässt eine andere Person in den eigenen Körper eindringen und nimmt sie auf. Es ist energetisch ein großer Unterschied, ob ich in jemanden eindringe oder ob ich in mich eindringen lasse. Deswegen ist es häufig bei Frauen so, dass ihr Bedürfnis nach Sexualität ausgeprägter ist als ihr Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr. Wird in der Beziehung aber hier kein Unterschied gemacht, wird in der Regel keiner der beiden Bereiche gelebt. 

Was bedeutet diese Differenzierung für die Beziehung?

In unserer Gesellschaft ist der Glaubenssatz verankert, dass Körperlichkeit immer im Geschlechtsverkehr enden sollte. Dies schadet aber der Intimität und der Nähe in Beziehungen, anstatt sie zu stärken. 

Um Nähe wiederherzustellen, bedarf es im ersten Schritt zwei wichtige Aspekte:

  1. Offene und ehrliche Kommunikation über Körperlichkeit, Sexualität und Geschlechtsverkehr
  2. Gegenseitige Akzeptanz und Verständnis für die jeweiligen Bedürfnisse und Grenzen 

Nimm Druck raus und entfache das Feuer neu!

Um eure Bedürfnisse und Grenzen besser einzuordnen, könnt ihr sogenannte „Freigabe-Zonen“ nutzen. Damit kannst du den Druck bei dir und deinem Partner oder deiner Partnerin herausnehmen und euch entspannt begegnen. Diese, oft erogenen Zonen, werden bewusst von dir oder deinem Gegenüber freigegeben. Erst danach kannst du anfassen, berühren oder stimulieren. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch.

Jeder und jede legt seine persönliche(n) Freigabe-Zone(n) fest und kommuniziert diese an den Gegenüber. Wichtig ist, dass ihr beide es tut, auch wenn während der sexuellen Begegnung die Zonen ggf. von dem einen früher freigegeben werden als von dem anderen.

Die Bedeutung von Kommunikation

In längeren Beziehungen gehören Sexualität und Kommunikation nicht zusammen. Die Erwartung ist, dass Sex ohne Worte klappen muss und mein Gegenüber genau versteht, was du möchtest. Das kann schnell zu Missverständnissen und später auch zu Frustration und Konflikten führen.

Nähe und Sexualität können schnell negativ oder schmerzhaft behaftet sein. Das passiert, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden. Es ist notwendig, dass ihr gegenseitig immer wieder ins Gespräch geht. Sind tiefe Verletzungen und Enttäuschungen passiert, lassen sich diese nur schwer vergessen. 

Kommunikation als Schlüssel, um das Vertrauen nach einem Konflikt wiederherzustellen

Du kannst Enttäuschungen und Verletzungen vermeiden, wenn du vor den Körperlichkeiten aktiv kommunizierst. Was findest du gut? Was eher nicht? Fang an, mit deinem Partner oder deiner Partnerin aktiv ins Gespräch zu kommen.

Ein Beispiel: Du hast ein Bedürfnis nach Körperlichkeit, dein Partner würde jedoch gerne Geschlechtsverkehr haben. Anstatt in ein Missverständnis zu geraten, wäre ein Gespräch ratsam. Ihr erklärt einander eure Wünsche und Bedürfnisse. Du kannst in dem Gespräch auch über die Art der Sexualität und/oder des Geschlechtsverkehrs sprechen, die du dir wünschen würdest. Durch Kommunikation in der Intimität kann das Vertrauen aufgebaut, gestärkt werden und fördert die Nähe zwischen euch. 

Mehr darüber, wie du die Kommunikation in eurer Partnerschaft verbessern kannst, erfährst du in einem anderen Blogbeitrag.

Schrittweiser Aufbau von Nähe und Intimität mit deinem Partner oder deiner Partnerin

Du solltest einen behutsamen Umgang mit den Themen „Nähe aufbauen“ und „emotionale Nähe aufbauen“ haben, um Überforderung und Grenzüberschreitung zu vermeiden. Höre immer wieder in dich hinein und überprüfe, wie sich diese Berührung oder diese Begegnung im Moment anfühlt. Orientiert euch an den oben genannten Schritten, um Nähe wieder aufzubauen. Schafft ihr als Paar, gemeinsame Lösungen zu finden und einander wertzuschätzen, dann sind es erste gesunde Schritte hin zu mehr emotionaler Nähe und dann auch zu mehr physischer Nähe. 

Natürlich hilft es ab einem bestimmten Zeitpunkt, sich professionelle Hilfe und Unterstützung zu holen. Da empfiehlt sich oft eine gemeinsame Paartherapie. Gerade wenn du oder ihr merkt, dass ihr allein nicht weiterkommt oder vielleicht auch einfach der Mut oder das Vertrauen fehlt. Dann sind vielleicht noch ein paar Vorstufen nötig, um sich dann auf einen Weg der Sexualität zu begeben. Hierbei helfe ich dir und euch jederzeit gerne.

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Annika Sengpiel

Paar- und Sexualtherapeutin in Karlsruhe.

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